Transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation (taVNS) zur Verbesserung der motorischen Funktionen der oberen Extremität nach Schlaganfall

Transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation (taVNS) zur Verbesserung der motorischen Funktionen der oberen Extremität nach Schlaganfall: Ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand

Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall stellt eine erhebliche Herausforderung dar, insbesondere wenn es um die Wiederherstellung der motorischen Funktionen der oberen Extremitäten geht. Eine vielversprechende nicht-invasive Methode, die in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen hat, ist die transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation (taVNS). Diese Methode könnte die Rehabilitationsergebnisse bei Schlaganfallpatienten verbessern und wird derzeit intensiv erforscht.

Was ist taVNS?

Die taVNS ist eine Form der Vagusnervstimulation, die über die Haut der Ohrmuschel durchgeführt wird, insbesondere durch die Stimulation des aurikulären Zweigs des Vagusnervs (ABVN) in der cymba conchae. Diese Technik bietet eine sicherere und weniger invasive Alternative zur klassischen Vagusnervstimulation (VNS), die einen chirurgischen Eingriff erfordert. Die Stimulation über taVNS zielt darauf ab, neuroplastische Prozesse im Gehirn zu fördern, was die Wiederherstellung motorischer Funktionen nach einem Schlaganfall unterstützen kann.

Forschungsergebnisse zur taVNS

Aktuelle klinische Studien haben gezeigt, dass die Kombination von taVNS mit traditionellen Rehabilitationsmethoden wie Physiotherapie signifikante Verbesserungen der motorischen Funktionen der oberen Extremitäten bei Schlaganfallpatienten bewirken kann. Die meisten dieser Studien verwenden die Fugl-Meyer Assessment Scale (FMA-U), um die Fortschritte der Patienten zu bewerten, und berichten über eine verbesserte Erholung im Vergleich zu Kontrollgruppen ohne taVNS-Behandlung.

Wichtige Erkenntnisse:

  • Stimulation und Timing: Studien zeigen, dass taVNS typischerweise während oder unmittelbar nach einer Rehabilitationssitzung angewendet wird. Einige Studien kombinieren die Stimulation mit wiederholten Bewegungsübungen der oberen Extremitäten, was zu einer verstärkten motorischen Erholung führen kann.
  • Sicherheitsaspekte: Obwohl taVNS im Allgemeinen gut verträglich ist, wurden in einigen Studien leichte Nebenwirkungen wie Hautrötungen, Übelkeit oder leichtes Unwohlsein berichtet. Diese Nebenwirkungen sind jedoch selten und meist mild.
  • Technologische Fortschritte: Die Entwicklung von geschlossenen Rückkopplungssystemen (closed-loop systems), die taVNS in Echtzeit an die physiologischen Reaktionen des Patienten anpassen, könnte die Wirksamkeit der Behandlung weiter steigern und die Anwendung in der klinischen Praxis erleichtern.

Praktische Anwendung für Therapeuten

Für Therapeuten ergeben sich aus diesen Studien wichtige praktische Implikationen:

  • Integration in bestehende Rehabilitationspläne: Die Kombination von taVNS mit herkömmlichen Rehabilitationsmethoden, insbesondere mit physiotherapeutischen Übungen, könnte die Wiederherstellung der motorischen Funktionen der Patienten beschleunigen.
  • Individuelle Anpassung der Stimulation: Da die optimalen Parameter der Stimulation noch nicht vollständig erforscht sind, sollten Therapeuten die Stimulation individuell an die Bedürfnisse und die Toleranzschwelle der Patienten anpassen.
  • Berücksichtigung von Nebenwirkungen: Therapeuten sollten Patienten über mögliche, aber seltene Nebenwirkungen aufklären und die Behandlung gegebenenfalls anpassen, um das Wohlbefinden der Patienten zu gewährleisten.

Fazit

Die taVNS bietet ein vielversprechendes Potenzial zur Verbesserung der motorischen Rehabilitation nach einem Schlaganfall, insbesondere in Kombination mit herkömmlichen Therapien. Zukünftige Forschungen werden erforderlich sein, um die optimalen Stimulationseinstellungen zu bestimmen und die Anwendung dieser Technik weiter zu verfeinern.


Quelle: Clinical Research Progress of the Post-Stroke Upper Limb Motor Function Improvement via Transcutaneous Auricular Vagus Nerve Stimulation

Marc Lüddecke
Praxis ThemaMensch
Eickelkamp 2
45276 Essen


Motorische Rehabilitation nach Schlaganfall: Ein Detaillierter Leitfaden basierend auf den Empfehlungen der European Stroke Organisation

Motorische Rehabilitation nach Schlaganfall: Ein Detaillierter Leitfaden basierend auf den Empfehlungen der European Stroke Organisation

Die European Stroke Organisation (ESO) hat eine umfassende Definition und ein konsensbasiertes Rahmenwerk für die motorische Rehabilitation nach Schlaganfall veröffentlicht. Dieser Leitfaden bietet eine detaillierte Darstellung der wichtigsten Prinzipien und Methoden, die für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten von zentraler Bedeutung sind.

Eine klare Definition der motorischen Rehabilitation

Laut der ESO ist motorische Rehabilitation ein strukturiertes Programm, das darauf abzielt, die motorische Funktion, die Aktivitätskapazität und die Leistungsfähigkeit im täglichen Leben von Patienten nach einem Schlaganfall zu verbessern. Diese Rehabilitation ist unerlässlich für alle Patienten, die nach einem Schlaganfall motorische Beeinträchtigungen erlitten haben und strebt an, ihre Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und Teilnahme am sozialen Leben zu fördern.

Biologische Grundlagen und Erholungsphasen

Die motorische Erholung nach einem Schlaganfall verläuft in mehreren Phasen, die spezifische therapeutische Ansätze erfordern:

  1. Frühe Phase (0–10 Wochen nach dem Schlaganfall): In dieser Phase findet die sogenannte spontane neurologische Erholung statt, die durch biologische Mechanismen wie neuronale Plastizität und die Reorganisation von Gehirnstrukturen gefördert wird. Die Erholung verläuft oft nach einem logarithmischen Muster, das innerhalb von etwa zehn Wochen seinen Höhepunkt erreicht.
  2. Spätere Phase: Nach der anfänglichen spontanen Erholung setzen Patienten in der Regel auf adaptive und kompensatorische Strategien, um motorische Aufgaben zu bewältigen. Diese Strategien beinhalten oft die Nutzung alternativer Bewegungsmuster oder den Einsatz weniger betroffener Gliedmaßen, um Funktionen zu kompensieren.

Prinzipien der motorischen Rehabilitation

Ein zentrales Element der Rehabilitation ist die regelmäßige Beurteilung der motorischen Funktionen und Aktivitäten. Hierbei kommen standardisierte Assessments zum Einsatz, wie beispielsweise die Fugl-Meyer Motor Scale (FMA), der Action Research Arm Test (ARAT) und der 10-Meter-Gehtest (10MWT). Diese Werkzeuge helfen, den Fortschritt der Patienten zu messen und die Therapie kontinuierlich anzupassen.

Besonders wichtig ist der Einsatz von prädiktiven Modellen, die es ermöglichen, die wahrscheinlichen Erholungsergebnisse eines Patienten bereits in den frühen Phasen der Rehabilitation abzuschätzen. Diese Modelle, wie der PREP2-Algorithmus, helfen Therapeuten dabei, die Therapie individuell anzupassen und die Erfolgsaussichten besser zu bewerten.

Praktische Interventionen und ihre Umsetzung

Die motorische Rehabilitation sollte evidenzbasiert und patientenorientiert sein. Die folgenden Interventionen haben sich als besonders effektiv erwiesen und werden von der ESO und anderen internationalen Leitlinien stark empfohlen:

  1. Frühe Mobilisierung: Die frühzeitige Mobilisierung, d.h. das Aus-dem-Bett-Kommen innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden nach einem Schlaganfall, wird stark empfohlen. Diese Intervention hat sich als förderlich für die Erholung erwiesen, insbesondere bei Patienten mit milden bis moderaten Schlaganfällen.
  2. Intensive und repetitive Übungen: Ein Schwerpunkt sollte auf intensiven, repetitiven und aufgabenorientierten Übungen liegen, die speziell auf die Wiederherstellung von motorischen Fähigkeiten abzielen. Dazu gehören Übungen wie Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT), bei der der Einsatz der weniger betroffenen Hand eingeschränkt wird, um die Nutzung der betroffenen Hand zu fördern.
  3. Technologiegestützte Rehabilitation: Der Einsatz von Technologie, wie z.B. robotergestützte Therapiegeräteoder Funktionelle Elektrostimulation (FES), kann die motorische Erholung unterstützen, insbesondere bei Patienten mit schweren motorischen Defiziten. Diese Technologien ermöglichen es, gezielte Bewegungen zu trainieren und die Muskelaktivität zu stimulieren.
  4. Treadmill Training und Überkopfübungen: Diese spezifischen Trainingstechniken, wie das Laufbandtraining mit oder ohne Gewichtsentlastung, sind besonders effektiv für die Verbesserung der Gehfähigkeit bei Schlaganfallpatienten. Sie helfen, die Gehgeschwindigkeit und die Gehstrecke zu verbessern, was entscheidend für die Rückkehr zu alltäglichen Aktivitäten ist.

Regelmäßige Assessments und Zielanpassungen

Ein entscheidender Aspekt der erfolgreichen Rehabilitation ist die kontinuierliche Überwachung und Anpassung des Therapieplans auf der Grundlage regelmäßiger Assessments. Diese Bewertungen sollten zu festgelegten Zeitpunkten nach dem Schlaganfall erfolgen – idealerweise in der ersten Woche sowie nach 4 Wochen, 3 Monaten und 6 Monaten. Diese Zeitpunkte entsprechen Schlüsselübergängen in den biologischen Erholungsprozessen.

Die Ergebnisse dieser Assessments sollten in Absprache mit dem Patienten und den betreuenden Angehörigen diskutiert werden, um sicherzustellen, dass die Therapieziele den individuellen Bedürfnissen und Fortschritten des Patienten entsprechen.

Schlussfolgerung und klinische Relevanz

Die konsensbasierte Definition und das Rahmenwerk der ESO bieten einen robusten Leitfaden für Fachleute in der Neurorehabilitation. Durch die Umsetzung dieser evidenzbasierten Empfehlungen können Therapeuten die Qualität der Rehabilitation verbessern und die Erfolgsaussichten für ihre Patienten maximieren. Es ist wichtig, diese Leitlinien regelmäßig zu konsultieren und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die klinische Praxis zu integrieren, um den Patienten die bestmögliche Betreuung zu bieten.

Quelle: European Stroke Organisation (ESO) consensus-based definition and guiding framework.


Marc Lüddecke
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