Motorische Rehabilitation nach Schlaganfall: Ein Detaillierter Leitfaden basierend auf den Empfehlungen der European Stroke Organisation

Motorische Rehabilitation nach Schlaganfall: Ein Detaillierter Leitfaden basierend auf den Empfehlungen der European Stroke Organisation

Die European Stroke Organisation (ESO) hat eine umfassende Definition und ein konsensbasiertes Rahmenwerk für die motorische Rehabilitation nach Schlaganfall veröffentlicht. Dieser Leitfaden bietet eine detaillierte Darstellung der wichtigsten Prinzipien und Methoden, die für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten von zentraler Bedeutung sind.

Eine klare Definition der motorischen Rehabilitation

Laut der ESO ist motorische Rehabilitation ein strukturiertes Programm, das darauf abzielt, die motorische Funktion, die Aktivitätskapazität und die Leistungsfähigkeit im täglichen Leben von Patienten nach einem Schlaganfall zu verbessern. Diese Rehabilitation ist unerlässlich für alle Patienten, die nach einem Schlaganfall motorische Beeinträchtigungen erlitten haben und strebt an, ihre Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und Teilnahme am sozialen Leben zu fördern.

Biologische Grundlagen und Erholungsphasen

Die motorische Erholung nach einem Schlaganfall verläuft in mehreren Phasen, die spezifische therapeutische Ansätze erfordern:

  1. Frühe Phase (0–10 Wochen nach dem Schlaganfall): In dieser Phase findet die sogenannte spontane neurologische Erholung statt, die durch biologische Mechanismen wie neuronale Plastizität und die Reorganisation von Gehirnstrukturen gefördert wird. Die Erholung verläuft oft nach einem logarithmischen Muster, das innerhalb von etwa zehn Wochen seinen Höhepunkt erreicht.
  2. Spätere Phase: Nach der anfänglichen spontanen Erholung setzen Patienten in der Regel auf adaptive und kompensatorische Strategien, um motorische Aufgaben zu bewältigen. Diese Strategien beinhalten oft die Nutzung alternativer Bewegungsmuster oder den Einsatz weniger betroffener Gliedmaßen, um Funktionen zu kompensieren.

Prinzipien der motorischen Rehabilitation

Ein zentrales Element der Rehabilitation ist die regelmäßige Beurteilung der motorischen Funktionen und Aktivitäten. Hierbei kommen standardisierte Assessments zum Einsatz, wie beispielsweise die Fugl-Meyer Motor Scale (FMA), der Action Research Arm Test (ARAT) und der 10-Meter-Gehtest (10MWT). Diese Werkzeuge helfen, den Fortschritt der Patienten zu messen und die Therapie kontinuierlich anzupassen.

Besonders wichtig ist der Einsatz von prädiktiven Modellen, die es ermöglichen, die wahrscheinlichen Erholungsergebnisse eines Patienten bereits in den frühen Phasen der Rehabilitation abzuschätzen. Diese Modelle, wie der PREP2-Algorithmus, helfen Therapeuten dabei, die Therapie individuell anzupassen und die Erfolgsaussichten besser zu bewerten.

Praktische Interventionen und ihre Umsetzung

Die motorische Rehabilitation sollte evidenzbasiert und patientenorientiert sein. Die folgenden Interventionen haben sich als besonders effektiv erwiesen und werden von der ESO und anderen internationalen Leitlinien stark empfohlen:

  1. Frühe Mobilisierung: Die frühzeitige Mobilisierung, d.h. das Aus-dem-Bett-Kommen innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden nach einem Schlaganfall, wird stark empfohlen. Diese Intervention hat sich als förderlich für die Erholung erwiesen, insbesondere bei Patienten mit milden bis moderaten Schlaganfällen.
  2. Intensive und repetitive Übungen: Ein Schwerpunkt sollte auf intensiven, repetitiven und aufgabenorientierten Übungen liegen, die speziell auf die Wiederherstellung von motorischen Fähigkeiten abzielen. Dazu gehören Übungen wie Constraint-Induced Movement Therapy (CIMT), bei der der Einsatz der weniger betroffenen Hand eingeschränkt wird, um die Nutzung der betroffenen Hand zu fördern.
  3. Technologiegestützte Rehabilitation: Der Einsatz von Technologie, wie z.B. robotergestützte Therapiegeräteoder Funktionelle Elektrostimulation (FES), kann die motorische Erholung unterstützen, insbesondere bei Patienten mit schweren motorischen Defiziten. Diese Technologien ermöglichen es, gezielte Bewegungen zu trainieren und die Muskelaktivität zu stimulieren.
  4. Treadmill Training und Überkopfübungen: Diese spezifischen Trainingstechniken, wie das Laufbandtraining mit oder ohne Gewichtsentlastung, sind besonders effektiv für die Verbesserung der Gehfähigkeit bei Schlaganfallpatienten. Sie helfen, die Gehgeschwindigkeit und die Gehstrecke zu verbessern, was entscheidend für die Rückkehr zu alltäglichen Aktivitäten ist.

Regelmäßige Assessments und Zielanpassungen

Ein entscheidender Aspekt der erfolgreichen Rehabilitation ist die kontinuierliche Überwachung und Anpassung des Therapieplans auf der Grundlage regelmäßiger Assessments. Diese Bewertungen sollten zu festgelegten Zeitpunkten nach dem Schlaganfall erfolgen – idealerweise in der ersten Woche sowie nach 4 Wochen, 3 Monaten und 6 Monaten. Diese Zeitpunkte entsprechen Schlüsselübergängen in den biologischen Erholungsprozessen.

Die Ergebnisse dieser Assessments sollten in Absprache mit dem Patienten und den betreuenden Angehörigen diskutiert werden, um sicherzustellen, dass die Therapieziele den individuellen Bedürfnissen und Fortschritten des Patienten entsprechen.

Schlussfolgerung und klinische Relevanz

Die konsensbasierte Definition und das Rahmenwerk der ESO bieten einen robusten Leitfaden für Fachleute in der Neurorehabilitation. Durch die Umsetzung dieser evidenzbasierten Empfehlungen können Therapeuten die Qualität der Rehabilitation verbessern und die Erfolgsaussichten für ihre Patienten maximieren. Es ist wichtig, diese Leitlinien regelmäßig zu konsultieren und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die klinische Praxis zu integrieren, um den Patienten die bestmögliche Betreuung zu bieten.

Quelle: European Stroke Organisation (ESO) consensus-based definition and guiding framework.


Marc Lüddecke
Praxis ThemaMensch
Eickelkamp 2
45276 Essen


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